Im VW-Abgasskandal hat das Landgericht Hamburg am 7.3.2018 zum Az. 329 O 105/17 einen großen Hamburger VW-Händler dazu verurteilt, einen neuen VW Tiguan II aus der aktuellen Serienproduktion gegen Rückgabe des alten, vom Abgasskandal betroffenen VW Tiguan I nachzuliefern, ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung, obwohl das sog. Software Update bereits vor gut einem Jahr aufgespielt wurde.

Der 11. Senat des Hanseatischen Oberlandesgericht hatte die Klage dann im Dezember 2018 abgewiesen.

Der BGH hat in der Nachlieferungsfrage nun für Klarheit gesorgt. Während der 11. Senat die Klage mit der Begründung abwies, dass ein „Aliud“ vorlag, hat der BGH nun klargestellt, dass kein „Aliud“ vorlag.  Der BGH folgt damit unserer Argumentation, zumal der BGH auch auf einige unserer für die Abgasskandal-Geschädigten erwirkten Urteile eingeht. Wir gehen daher davon aus, dass die Klage insofern auch vor dem BGH Erfolg gehabt hätte. Dazu ist es allerdings nicht gekommen.

Nun aber zur Entscheidung des Landgericht Hamburg.

Der Kläger erwarb am 2. April 2015 einen VW Tiguan Sport & Style 4 Motion BM Techn. 2,0 L TDI 103 kw (140) PS. Auf Grund der Schreiben von Volkswagen zur Rückrufaktion 23R7 und der in Aussicht gestellten möglichen Betriebsuntersagung gem. § 5 FZV bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion, wandte sich der Kläger erst nach Durchführung des sog. Software Updates an die Kanzlei Wietbrok Rechtsanwälte. Diese sah trotz erfolgten Software Updates gute Chancen auf Durchsetzung des Anspruches auf Nachlieferung eines mangelfreien Neuwagens ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Dieser Anspruch wurde durch den Händler abgelehnt und musste daher im Klagewege durch die Kanzlei Wietbrok Rechtsanwälte erfolgreich durchgesetzt werden.

Das Landgericht Hamburg bestätigte die Rechtsauffassung der Kanzlei Wietbrok Rechtsanwälte und verurteilte den Händler antragsgemäß  zur Nachlieferung des mangelfreien Neuwagens ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Das Landgericht stellte fest, dass das gelieferte Fahrzeug bei Gefahrübergang einen Sachmangel aufwies und nicht dem Leistungsversprechen entsprach. Zudem liegt auch ein Rechtsmangel vor, denn das den jeweils geltenden Abgasvorschriften entsprechende Emissionsverhalten des Motors stelle eine Eigenschaft dar, welche für die geschuldete Beschaffenheit maßgeblich sei.

Insbesondere ist die Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeuges auch nicht unverhältnismäßig. Vielmehr ist die Nachbesserung durch das Softwareupdate unzumutbar.

Das Landgericht Hamburg führt dazu aus, dass der plausible Verdacht besteht, dass das angebotene Softwareupdate keine ausreichende Nachbesserung ist. Insbesondere dürfte eine permanente Angasrückführung mit einem deutlich gesteigerten Verschleiß der betroffenen Motorteile einhergehen. Diese Befürchtung, die auch in der Öffentlichkeit umfangreich und kontrovers diskutiert wird, führt nach Ansicht des Landgerichts Hamburg zu einem deutlichen und auf unabsehbare Zeit verbleibenden Minderwert des Fahrzeuges.

Zudem führte das Landgericht Hamburg aus, dass eine Nachlieferung trotz Modellwechsels vom Tiguan I auf den Tiguan II nicht unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB ist.

Als Verbraucher schuldete der Kläger zudem keinen Nutzungsersatz und insbesondere war sein Anspruch auch nicht ausgeschlossen durch die „vertrauensbildende Maßnahme“ des Herstellers.

Rechtsanwalt Frederik Wietbrok meint, dass dieses Urteil in der Tat bemerkenswert ist, weil zum einen das sog. Software Update bereits vorgenommen wurde und zum anderen ein Modellwechsel vom Tiguan I zum Tiguan II erfolgte. Dieses Urteil verlagert die Ungewissheit im VW-Abgasskandal vom Geschädigten weg. Soweit das Urteil Bestand hat und sich weitere Landgerichte anschließen, hätte dies zur Folge, dass Geschädigte das Update durchführen können, der Gefahr der Betriebsuntersagung dadurch entgehen und gleichwohl die Mängelgewährleistungsrechte weiterhin geltend machen können. Nur so könne im Übrigen das angestrebt hohe Schutzniveau im Verbraucherschutz erreicht werden, so Rechtsanwalt Frederik Wietbrok.

Link zum Urteil des Landgericht 329 O 105/17.

Hier finden Sie einige Presseberichte zu unserem Urteil aus Deutschland, Österreich und der Schweiz