Das Landgericht Flensburg mit seinem Urteil vom 5.5.2022 zum Az. 4 O 49/20 die Audi AG wegen Abgasmanipulation an einem gebrauchten Audi A 4 3.0 L EUR 4 verurteilt.

Das Fahrzeug gehört der Abgasnorm Euro 4 an. Das KBA hat mit Bescheid vom November 2019 die in dem Fahrzeug enthaltene Funktion als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet.

Das Landgericht folgt den Ausführungen der Klägerseite und stellt fest:

2. Der Kläger hat hinreichende Umstände vorgetragen, die ein solch objektiv sittenwidriges Verhalten der Beklagte sowie den entsprechenden Vorsatz der für die Beklagte Handelnden indiziert. Nach Auffassung des Gerichtes enthielt das vom Kläger erworbene Fahrzeug eine illegale Abschalteinrichtung (“Akustikfunktion“). Diese funktioniert nach dem nachvollziehbaren und von der Beklagten nicht substanziiert bestrittenen Vortrag des Klägers so, dass der Stickoxidausstoß in der Prüfsituation durch Regulierung der Einspritzung derart optimiert wird, dass die Grenzwerte der Euro-4-Norm eingehalten werden. Außerhalb der Prüfsituation werden die Grenzwerte nicht eingehalten. Diese diente allein dem Zweck, das KBA im Typgenehmigungsverfahren bewusst und gewollt zu täuschen. Die Akustikfunktion stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO 715/2007/EG dar, die unter keinen der Ausnahmetatbestände des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO 715/2007/EG fällt und die nach der Überzeugung der Kammer aufgrund einer strategischen unternehmerischen Entscheidung eingesetzt wurde, um die Abgasrückführung beeinflussen zu können und die Typgenehmigung unter bewusster Täuschung des KBA zu erhalten. Hierbei kann einerseits auf das im Auftrag des KBA erstellte Gutachten vom 25.06.2017 (Anlage K4) sowie das Antwortschreiben der Beklagten vom 08.01.2020 verwiesen werden. Ausweislich des Gutachtens wird die Abschalteinrichtung aktiviert, wenn die Temperaturen von Motorkühlwasser, Motorschmieröl und Kraftstoff in einem Bereich zwischen 18 °C und 33 °C und der Umgebungsdruck über 930 mbar liegen. Diese Parameter sind in der Motorsteuerung mit einer „UND“-Bedingung miteinander verknüpft. Sie weisen eine hohe Ähnlichkeit mit den Bedingungen der Fahrzeugkonditionierung für den NEFZ-Test Typ 1 auf, welcher den Standard darstellt (KBA-Gutachten Seite 4, Anlage K 4). Für die Deaktivierung der Akustikfunktion wird ein Umdrehungszähler verwendet, der angesichts der Berechenbarkeit der Motorumdrehungen während der genau festgelegten Fahrkurve eine Timer-Funktion enthält und mithin eine Prüfstandskennung darstellt (KBA-Gutachten Seite 6). Bei deaktivierter Akustikfunktion werden die maßgeblichen NOx-Grenzwerte nicht eingehalten (KBA-Gutachten Seite 2).
3. Die Akustikfunktion zielt ähnlich wie die bei Motoren der Baureihe EA 189 zum Einsatz gekommene „Umschaltlogik“ darauf ab, das Emissionsverhalten der Fahrzeuge ausschließlich im Prüf-
standbetrieb zu verbessern, um die ohne die Abschalteinrichtung zu erwartende oder von der Beklagten zumindest befürchtete Überschreitung des NOx-Grenzwertes bei der Abgasprüfung si-
cher zu vermeiden. Der Einbau einer solchen Motorsteuerungssoftware ist objektiv sittenwidrig, weil sie nur zu dem Zweck erfolgt, das KBA über die ohne die Software nicht gewährleistete Einhaltung der Emissionsgrenzwerte in den Fahrzyklen des NEFZ zu täuschen, um die Typgenehmigung für das Fahrzeug zu erlangen. Die bewusste Täuschung des KBA rechtfertigt das Un-
werturteil der Sittenwidrigkeit.
4. Der ehemalige Vorstand der Beklagten hatte von der Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass es sich bei der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit Motoren der Serie EA896 betreffende Strategieentscheidung handelte, die mit er-
heblichen Risiken für das Unternehmen und auch mit persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden war, sondern auch die Bedeutung gesetzlicher Grenzwerte und der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Einhaltung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten (BGH Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 – NJW 2020, 1962). Die Beklagte trifft in diesem Fall die sekundäre Darlegungslast, dass die einzelnen Vorstände von der Abschalteinrichtung und der Unzulässigkeit an sich keine Kenntnis gehabt hätten. Diesen Vortrag konnte die Beklagte nicht erbringen.

Das Fahrzeug wurde nach Klagerhebung mit einem KM Stand von 262.000 KM verkauft.

 

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LG FLensburg Audi 3 L EUR 4